Die Rolandsage ist eine der bekanntesten deutschen Sagen. Sie erzählt die Geschichte des legendären Ritters Roland von Angers und seiner liebreizenden Hildegunde. Die Handlung spielt im 9. Jahrhundert, als Karl der Große der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches war.

Die Sage vom tapferen Ritter Roland und Hildegunde
Als Ritter Roland die Kaiserpfalz in Ingelheim verließ, setzte er seinen Weg entlang des Rheins fort. Er kam an stolzen Burgen, reichen Weinbergen und idyllischen Städtchen vorbei, bis er das Siebengebirge mit dem majestätischen Drachenfels und seinem Schloss erreichte.
Hier wollte er Rast einlegen und übernachten. Roland fuhr mit seinem Knappen über den Strom und klopfte am Tor der Burg des Grafen Heribert an. Als der Turmwart nach seinem Begehr fragte, erfuhr auch der alte Graf schnell, wer da Einlass begehrte. Er begrüßte seinen Gast auf das Herzlichste, denn es war ihm eine große Ehre, einen solch hochangesehenen Gast zu beherbergen.
In großer Eile wurde ein Festmahl ausgerichtet. Als alle in geselliger Runde zusammen saßen, erschien auch die liebreizende Tochter des alten Grafen. Hildegunde stellte sich mit anmutiger Zurückhaltung vor und überreichte dem Gast den Willkommenstrunk in einem glänzenden Pokal. Roland war sofort von dem schönen Mädchen fasziniert und konnte während des Essens nur mit Mühe den Blick von ihr abwenden.
Aber nicht nur der Ritter, sondern auch Hildegunde war von den Flammen der Liebe erfasst. Neben seinem guten und stattlichen Aussehen beeindruckte das junge Mädchen auch das bescheidene und freundliche Wesen Rolands. Dabei war Hildegunde selbst erstaunt über die Gefühle, die sie überkamen. Hatte sie doch bei keinem der Männer, die um ihre Hand anhielten, etwas Vergleichbares empfunden.
Da auch Roland von seinen Gefühlen überwältigt war und sich nicht vorstellen konnte, dass eine solche holde Schönheit wie Hildegunde nicht schon einem anderen Mann versprochen war, ließ er gleich am nächsten Morgen seine Pferde satteln. Als der Burgherr dies sah, versuchte er sofort, seinen edlen Gast umzustimmen, noch einige Tage auf seiner Burg zu verweilen. Der Ritter wollte gerade widersprechen, als sich seine Blicke mit denen Hildegundes trafen. In diesem Moment bedurfte es keiner Worte mehr und Roland willigte sofort ein, noch zu bleiben.
Aus ein paar Tagen wurden bald Wochen, und Roland dachte gar nicht mehr an eine Weiterreise. Als er eines Tages auf seinem Spaziergang Hildegund allein begegnete, konnte er sich nicht mehr zurückhalten und gestand ihr seine Liebe. Roland hielt um die Hand des schönen Burgfräuleins an, und zu seiner großen Freude willigte sie ohne Zögern ein.
Noch am selben Tag bat der Ritter auch Graf Heribert um Zustimmung, seine Tochter zur Frau zu nehmen. Der Burgherr und seine Gemahlin fühlten sich geehrt und gaben dem jungen Paar mit großer Freude ihren Segen. Daraufhin beschloss Roland, sich gleich am nächsten Tag auf den Weg zur Burg seines Oheims zu machen, um auch ihm die freudige Nachricht zu überbringen.
Doch dazu kam es leider nicht mehr. Denn am nächsten Morgen erreichte die Burg die Kunde, dass die Hunnen ins deutsche Reich eingefallen waren und die Südgrenze des Landes bedrohten. Der Kaiser, dessen Neffe Roland war, rief deshalb alle tapferen und kampferprobten Krieger zusammen, um gegen den Feind zu kämpfen. Niedergeschlagen nahm Roland Abschied von seiner Liebsten und versprach, sofort zurückzukehren, wenn der Feind besiegt worden sei. Hildegunde war untröstlich, wenngleich sie genau wusste, dass es Rolands ehrenvolle Pflicht war, sein Vaterland zu verteidigen.
Nachdem Roland die Burg verlassen hatte, zog sich das sonst so lebensfrohe Burgfräulein immer mehr zurück. Es verging kaum eine Minute, in der sie nicht sehnsüchtig an ihren Geliebten dachte. Es kam ihr vor, als würde die Zeit endlos vergehen, bis endlich die frohe Botschaft kam, dass der Krieg zu Ende war.
Nach der langen Zeit des Wartens kamen die ersten Heimkehrer mit ihren Boten auf dem Rhein auch an der Burg des alten Grafen vorbei. Hildegunde blickte jeden Tag ungeduldig vom Burgturm in die Ferne und versuchte zu erkennen, ob ihr Geliebter unter ihnen war. Inzwischen traf sie auch die ersten Vorbereitungen für das Hochzeitsfest, so dass sie eine willkommene Ablenkung hatte.
Als eines Tages wieder eine Schar tapferer Krieger zurückkehrte, welche auf ihrer Durchreise in der Burg Unterkunft gefunden hatten und am nächsten Morgen im großen Saal ihr Frühstück einnahmen, wurden auch sie gefragt, ob sie etwas vom edlen Ritter Ronald gehört hätten. Sofort verstummten alle Gespräche und eine unheimliche Stille breitete sich aus.
Dann ergriff einer der Männer das Wort und berichtete, dass er an der Seite des Grafen von Angers gekämpft hatte. Er rühmte die ehrenvollen Heldentaten des Ritters, der mit seinem Gefolge der Schlacht zum Sieg verhalf. Er berichtete aber auch, dass Roland, als der Feind bereits die Flucht ergriffen hatte, noch von einem der feindlichen Geschosse getroffen wurde und tödlich verwundet zu Boden sank.
Blass und sich kaum mehr auf den Beinen haltend, hörte Hildegunde die schreckliche Nachricht. Drei Tage lang saß sie wie in Marmor gemeißelt auf einem Stuhl, ohne zu essen oder zu schlafen. Am Morgen des vierten Tages ging sie zu ihren Eltern und teilte ihnen unter Tränen mit, dass sie den Rest ihres Lebens in klösterlicher Einsamkeit verbringen wolle, da ihr das größte Glück ihres irdischen Lebens genommen worden war.
Ihre Eltern versuchten alles, um sie umzustimmen. Doch Hildegunde ließ sich in ihrer unendlichen Trauer nicht von ihrem Plan abbringen. Sehr schnell siedelte sie ins Kloster über. Der Bischof, dem das Kloster unterstand, war mit dem Burggrafen Heribert verwandt und erließ ihr das Pflichtjahr. So konnte Hildegunde sofort die ewigen Gelübde ablegen.
Als der Winter kam und der Burgherr und seine Frau wieder einmal sehnsüchtig an ihre Tochter dachten, ertönte das Horn des Torwächters, das Besuch ankündigte. Bald darauf war der schnelle Hufschlag eines Pferdes zu hören, und Ritter Roland stürmte in den Saal. Der alte Graf und die Gräfin erstarrten und blickten Roland nur stumm an, als wäre ihnen ein Geist erschienen.
Roland fragte sogleich nach seiner Geliebten. Er erzählte, dass er im Kampf verwundet worden war und deshalb nicht sofort nach Hause zurückkehren konnte. Aus diesem Grund hatte er einen Boten geschickt, damit sich niemand Sorgen um sein Wohlergehen machte. Die Gräfin berichtete unter Tränen, dass dieser Bote nie angekommen sei. Stattdessen hörte man, dass der tapfere Ritter Roland im Kampf ehrenvoll gefallen war. Daraufhin habe Hildegunde allem Weltlichen abgeschworen und sei in das Kloster auf der Insel Nonnenwerth eingetreten.
Erschüttert sank Roland zu Boden. Die Wunden, die ihm der Feind zugefügt hatte, waren nichts im Vergleich zu dem Schmerz, den er jetzt empfand. In seiner unendlichen Traurigkeit ließ er sich auf der anderen Rheinseite, gegenüber der Insel Nonnenwerth, eine Burg bauen, um seiner Geliebten doch noch nahe sein zu können.

Oft stand er stunden- und tagelang auf dem Balkon seiner Burg und blickte hinunter zum Kloster, in dem Hildegunde nun lebte. Er versuchte stets, zwischen den Nonnen ihre liebliche Gestalt entdecken zu können. Dann, an einem Frühlingstag, sah er sie im Garten. Freudig erregt rief er laut den Namen seiner Geliebten und winkte ihr mit ausgestreckten Armen zu. Hildegunde bemerkte ihn und winkte zurück. Da sah Roland auch, wie blass sie war.
Einige Tage später, in denen er seine Angebetete nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte, hörte Roland auf der Insel Nonnenwerth die Totenglocken läuten. Der Knappe, den Roland ausgesandt hatte, kehrte kurze Zeit später mit der traurigen Nachricht zurück, dass es sich bei der Toten um Hildegunde handelte. Der junge Graf war untröstlich. War er schon vorher tief betrübt, so blieb jetzt nur noch ein Schatten seiner selbst übrig.
Als der Kaiser kurze Zeit später die Ritter und Adligen aufforderte, sich dem Heer im Kampf gegen die sarazenischen Stämme anzuschließen, folgte Roland dem Aufruf sofort. In der Schlacht fand er seinen alten Mut und seine Kraft zurück. Obwohl dank Roland ein Sieg errungen werden konnte, kehrte er nicht mehr zurück. Ein heimtückischer Hinterhalt in den Schluchten der Pyrenäen raubte dem Helden das Leben.
