Die Rheinmühle – eine Sage aus Mannheim
In einer Rheinmühle bei Mannheim lebte einst ein Müller, der ein schrecklicher Geizhals war. Wenn doch einmal arme Leute in die Nähe seiner Mühle kamen, vertrieb er sie sofort mit groben Schimpfworten. Auch sein Knecht, der ihm schon viele Jahre treu diente, hatte bei seinem Herrn ein mühsames Leben. Da der Müller jeden verdächtigte, ihn zu bestehlen, ließ er seinem Knecht nicht einmal nachts die verdiente Ruhe. So schlich er oft noch zu später Stunde von seinem Haus an Land zur Mühle, die sich auf dem Fluss befand. Dort spähte er in jeden noch so kleinen Winkel, um mögliche Diebe aufzuspüren. Der Knecht, der in der Mühle schlief, erwachte durch das Herumschleichen und schüttelte dann immer nur betrübt den Kopf.

So kam es, dass der Müller wieder einmal mitten in der Nacht zu seiner Mühle ruderte und heimlich in allen Räumen nach dem Rechten sah. Als er in die Kornkammer sah, stieß er plötzlich einen lauten Fluch aus. Auf dem Korn ruhte ein alter Greis mit einem langen weißen Bart. Wütend rief er den Knecht und fragte ihn, welchen Landstreicher er in die Mühle gebracht habe. Der Knecht versuchte, seinen Herrn zu besänftigen, indem er ihn bat, dem Alten ein wenig Ruhe zu gönnen, denn das würde dem Korn nicht schaden.
Aber der Müller ließ sich nicht erweichen. Noch immer wütend schrie er anmaßend: „Und wäre es der liebe Herrgott selbst, ich dulde kein faules und lichtscheues Gesindel in meinem Hause. Raus aus meiner Mühle, du alter Faulenzer!“
Als er diese Worte gesprochen hatte, erhob sich plötzlich ein starker Sturm und das Wasser schlug in hohen Wogen gegen die Mühle. Gleichzeitig erhob sich langsam und unheilvoll der Alte, dessen Gestalt größer und größer wurde und den Raum in der Mühle immer mehr ausfüllte. Mit grollender, mächtiger Stimme rief er: „So viele Jahre habe ich dir treu dein Korn gemahlen und nun gönnst du mir noch nicht einmal einen Moment der Ruhe! Dein undankbares Herz ist härter als deine Mühlsteine! Doch deine Strafe wird es mürbe machen und du wirst noch an den denken, den du so geschmäht hast – nämlich den Alten vom Rhein!“.
Auch nach diesen Worten wuchs die geisterhafte Gestalt immer weiter an, bevor sie mitsamt der Mühle wirbelnd in den Fluten des Rheins versank. Eine gnädige Welle rettete den Knecht und den hartherzigen Müller vor dem sicheren Ertrinken und spülte beide ans Ufer zurück. Am nächsten Morgen war von der Rheinmühle rein gar nichts mehr zu sehen.