Die hier erzählte Geschichte trug sich im 15. Jahrhundert, während der Herrschaft von Herzog Arnold von Egmond, zu. Damals lebte drei Wegstunden von Nimwegen entfernt ein armer Priester namens Gijsbrecht. Unter seinem Dach wohnte auch Mariken, die Tochter einer seiner Schwestern. Das junge Mädchen kümmerte sich um alle Dinge im Haushalt. Zum Erledigen von Besorgungen wurde sie von Zeit zu Zeit auch nach Nimwegen geschickt. Meistens erhielt sie für die Einkäufe acht Groschen, was reichlich bemessen war. Falls es einmal später wurde, konnte sie bei einer Tante übernachten, die in der Stadt wohnte. Da die Zeiten sehr unsicher waren, war es nämlich keineswegs ratsam, allein im Dunklen unterwegs zu sein.

Mariken geht nach Nimwegen/ Geschichte Mariken von Nimwegen

Als Mariken eines Tages wieder einmal Einkäufe zu erledigen hatte, wurde es so spät, dass sie bei ihrer Tante schlafen und erst am nächsten Morgen nach Hause gehen wollte. Doch verlief ihr Empfang im Haus diesmal ganz anders, als Mariken es erwartet hatte. Ihre Tante war an diesem Tag außer sich vor Wut, schrie hysterisch und fluchte in einem fort, da sie mit der Nachbarin heftig über die politische Misere im Land gestritten hatte.

Das Mädchen war verunsichert und wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Da ihre Tante sich nicht beruhigen konnte und sich ihre Wut dann auch noch gegen das Mädchen richtete, packte Mariken ihre Sachen und verließ das ungastliche Haus. So blieb ihr nichts anderes übrig, als noch am selben Abend von Nimwegen bis zum Heim ihres Onkel zu laufen.

Mariken war niedergeschlagen und hatte Hunger. Doch sie sprach sich Mut zu und legte das erste Stück des Weges schnell zurück. Aber je mehr die Dunkelheit aufzog und sie letztendlich nicht mehr die Hand vor den Augen sehen konnte, machte sich die Furcht in jedem Teil ihres Körpers breit. Völlig verängstigt kroch sie unter einen Strauch und flehte unter Tränen verzweifelt um Hilfe. In diesem Moment war es ihr ganz egal, wer half, als ihr zumindest irgendjemand in ihrer schrecklichen Lage beistand.

Mariken trifft Moenen, den Teufel

Der Teufel, der bereits auf der Lauer lag, hatte nur auf diesen Moment gewartet. In Windeseile stand er vor Mariken. Natürlich zeigte er sich dabei nicht in seiner wahren Gestalt. Als ein zuvorkommender junger Mann bot er ihr freundlich seine Hilfe an, sie zu begleiten und zu beschützen. Mariken war ungemein erleichtert und zugleich auch erstaunt, wo ihr Retter so plötzlich herkam.

„Wer bist du eigentlich?“, fragte sie ihn. „Ich bin ein Meister der sieben freien Künste“, antwortete er, „und mein Name ist Moenen. Ich bin wohlhabend und ich kann dir alles bieten, was du dir wünschst.“ Verschmitzt fügte er hinzu: „Denn Zaubern kann ich auch.“ Mariken antwortete voller Eifer: “Oh, mein Onkel hat auch ein Zauberbuch. Mit dem kann er den Teufel sogar durch ein Nadelöhr jagen!“ Als sie diese Worte in ihrer ganzen Unschuld aussprach, hatte sie noch keinerlei Ahnung, wer ihr neuer Gefährte war.

Die Verführungskünste von Moenen waren so meisterlich, dass Mariken ihm einfach nicht widerstehen konnte. Als er sie überredete mit ihm zu kommen, willigte sie nach anfänglichem Zögern schlussendlich doch ein. Daraufhin forderte Moenen, dass sie ihren Namen ändern musste. Das gefiel Mariken überhaupt nicht. Sie mochte ihren Namen, auch weil er an die Mutter Gottes erinnerte. Als Moenen vorschlug, sie Emmeken zu nennen, denn immerhin klingt der Name fast wie Mariken, willigte sie dennoch schweren Herzens ein. Eine weitere Forderung war, dass Mariken sich nicht mehr bekreuzigen durfte. Nach längerem Zögern stimmte sie auch hier zu.

Zuerst zog Moenen zusammen mit Mariken nach`s-Hertogenbosch. Diese Stadt mit ihrer beeindruckenden Festung war bereits damals für ihren Reichtum bekannt. Hier verweilten sie einige Wochen und gingen anschließend weiter nach Antwerpen, das noch größer war und sicher zu den schönsten Städte der damaligen Zeit gehörte.

Mit all den Vergnügungen und dem nicht enden wollenden Geldfluss waren Marikens Gedanken nur selten bei ihrem Onkel und ihrem alten Zuhause. Sie genoss den plötzlichen Reichtum und ihr neues Leben in vollen Zügen.

Zuhause musste jedoch Gijsbrecht immerfort an Mariken denken und machte sich schwere Vorwürfe, seine Nichte in die Stadt geschickt zu haben. Nachdem er das Verschwinden bemerkt hatte, war er sofort zu seiner Schwester nach Nimwegen gegangen. Aber die konnte ihm nicht weiterhelfen. In ihrer Bösartigkeit erzählte sie Vorfälle, die an jenem Tag passiert waren, genau andersherum. Mariken hätte eine unglaublich schlechte Laune gehabt und war schimpfend aus dem Haus gelaufen. Wohin konnte sie nicht sagen, da es keine Möglichkeit gegeben hätte, vernünftig mit ihr zu sprechen. Völlig erstaunt machte sich der alte Priester wieder auf den Heimweg und fragte unterwegs überall in der Stadt nach, ob jemand das Mädchen gesehen hatte. Doch niemand konnte sich erinnern und ihm weiterhelfen. So trauerte er um seinen großen Verlust, Mariken verloren zu haben, und hoffte trotz alledem, dass es ihr gut ging.

Mariken lebte indessen sieben Jahre lang mit allen Annehmlichkeiten, die Moenen ihr bot. Mit der Zeit wurde sie jedoch immer unglücklicher. Sie fühlte sich leer. Die Verschwendung und das Nichtstun behagten ihr immer weniger. Sie sehnte sich zurück nach der Einfachheit ihres früheren Lebens. Zudem vermisste sie ihren Onkel, vor allem seine warmherzige und gütige Art.

Da Mariken ständig drängte, wieder einmal nach Nimwegen zu reisen, konnte Moenen bald nicht mehr anders, als ihrem Wunsch nachzugeben. Er war sich sicher, dass diese Reise nur von kurzer Dauer sein würde und er Mariken schnell wieder überzeugen konnte, mit ihm zurückzukehren.

Als die beiden in Nimwegen ankamen, zog gerade eine Bittprozession durch die Straßen der Stadt. Auch ein Wandertheater trat auf, welches das Stück Masscheroen aufführte. Dabei geht es um des Teufels Advokat, welcher ein Plädoyer gegen Gott hält, der den Sündern den Himmel verspricht, wenn sie aufrichtig bereuen. Gott selbst antwortete, dass er für die Menschen gelitten hat und er sie durch seinen Tod am Kreuz retten wollte. Und auch Maria, Gottes Mutter, plädierte für Erbarmen gegenüber den Menschen.

Emmeken stand wie gebannt und hörte ergriffen den Worten zu. Sie fühlte, wie die Reue ihrer Sünden langsam in ihr aufstieg. Dabei rannen die Tränen über ihre Wangen. Plötzlich begriff sie, dass sie entgegen besseren Wissens furchtbar gesündigt hatte und sah keine Gnade mehr für sich.

Mariken und der Teufel bei Drachenwolke Geschichten
Mariken soll verdorben werden / Sage Mariken von Nimwegen

Moenen, der Mariken die ganze Zeit beobachtet hatte, erkannte sehr schnell, dass es höchste Zeit war, um sie von diesem Ort wegzubringen. Denn ganz so einfach wollte er seine Beute nicht entkommen lassen! Doch was er auch sagte, Mariken blieb wie angewurzelt an ihrem Platz stehen. Entnervt griff Moenen sie und stieg mit ihr hoch in die Luft. Danach warf er sie aus großer Höhe zu Boden, um ihr irdisches Leben zu beenden und so doch noch ihrer Seele habhaft zu werden.

Gijsbrecht, der sich auch in der Menschenansammlung vor dem Theater befunden hatte, wurde Zeuge der Geschehnisse. Natürlich erkannte er sofort seine Nichte. Als Mariken auf dem Boden lag, nahm er sie schnell auf und brachte sie nach Hause. Ihr schlechter körperlicher Zustand besserte sich langsam, doch ihre Seele heilte nicht. Da sie so schwer gesündigt hatte, getraute sich kein Priester, sie von ihren seelischen Lasten freizusprechen.

Um diesen furchtbaren Zustand endlich ein Ende zu bereiten, ging Gijsbrecht zusammen mit Mariken nach Köln. Moenen, der noch nicht aufgegeben hatte, folgte den beiden in einem sicheren Abstand. Er getraute sich nicht, in die Nähe des jungen Mädchens zu kommen, da sie von dem Priester begleitet wurde. Außerdem hatte Mariken in all den Jahren doch noch zu Maria gebetet, was sie unter einen besonderen Schutz stellte.

Mariken und Moenen / Mariiken van Nijmegen
Mariken beim Pabst

In Köln durfte die junge Frau nach langem Bitten beim Bischof vorsprechen. Doch auch dieser konnte oder wollte Mariken nicht von ihren Sünden freisprechen. Deshalb reisten Gijsbrecht und seine Nichte weiter nach Rom. Der Papst erhörte sie und legte Mariken eine Buße auf. Sie musste fortan drei Ringe aus Eisen tragen, einen um den Hals und jeweils einen um jeden Arm. Erst wenn diese Ringe abfielen, würde sie von ihrer Schuld erlöst sein. Dies wäre das Zeichen, dass Gott sich ihrer erbarmt hätte.

Ein wenig erleichtert reisten Mariken und ihr Onkel weiter nach Maastricht. Unter ihrem richtigen Namen trat sie hier in das Kloster „Die Weißen Frauen“ ein, in dem sie viele Jahre gottesfürchtig lebte. Eines Nachts kam ein Engel zu ihr, der sie im Schlaf von ihren Fesseln erlöste. Dennoch blieb Mariken dem Kloster treu. Erst viele Jahre später fand sie hier auch ihre letzte Ruhe.

Nach Marikens Tod wurden die eisernen Ringe über ihrem Grab aufgehängt. Sie sollten an die Sünde, die Reue wie auch die Vergebung erinnern und dass mit einem aufrichtigen Glauben, alles ein gutes Ende nehmen kann.



Geschichte ist frei nacherzählt. Quelle Text und Bilder: Mariken van Nieumeghen, editie Dirk Coigneau, Digitale Bibliotheek voor de Nederlandse Letteren
 


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