Weisst du, wie die Zwoller zu dem Namen Blaufinger kamen?
Die Einwohner von Zwolle werden oftmals auch Blaufinger genannt. Was heute eher ein Spitzname ist, war in früheren Zeiten ein Schimpfwort. Doch wie kam es eigentlich zu dem Namen Blaufinger?
Zur Entstehung wird sich die folgende Geschichte erzählt:
Die Einwohner aus Zwolle und Kampen lagen schon länger im Streit. Die beiden Städte, die sich nicht weit voneinander an der Ijssel befinden, hatten eigentlich viele Gemeinsamkeiten. Zwolle wie auch Kampen waren florierende Handelsstädte und gehörten beide der Hanse an. Doch da gab es etwas, was zu großen Spannungen führte.
Der Kirchturm von Zwolle hatte nämlich ein wohlklingendes Glockenspiel, worauf die Bürger der Stadt mächtig stolz waren. Und obwohl Kampen finanziell besser gestellt war, hatte ihr Turm nur eine einzige Glocke, die mit ihrem Ton die Stunden angab. Das wurmte die Leute aus Kampen natürlich über alle Maßen.
Deshalb beschloss der Kampener Bürgermeister mit seinen Ratsherren, das Glockenspiel von Zwolle abzukaufen. Da Zwolle das Geld mehr als gut gebrauchen konnte, waren die Kampener davon überzeugt, bei einem angemessenen Preis sich schnell einigen zu können.
Als sie ihren Vorschlag den Zwoller Ratsherren unterbreiteten, wurde dieser jedoch brüsk abgewiesen. Dabei gaben die Kampener den Stadtrat von Zwolle sogar die Möglichkeit, den Preis für den Verkauf ihres Glockenspiels selbst zu bestimmen. Doch die Zwoller wollten um nichts in der Welt verkaufen. Sie dachten gar nicht daran, ihren Rivalen das Glockenspiel zu überlassen.
Die Kampener gingen beleidigt nach Hause, wussten jedoch, dass ihre Gelegenheit noch kommen würde. Eigentlich mussten sie nur warten. So verging die Zeit. Die Geschäfte in Kampen liefen sehr gut und die Stadt wurde immer reicher. Doch in Zwolle sah es ganz anders aus. Das Geld in der Stadtkasse versiegte hier immer mehr.
Es kam selbst so schlimm, dass die Zwoller Ratsherren sich wegen der prekären finanziellen Lage nicht mehr zu helfen wussten. Da sie keinen anderen Ausweg sahen, boten sie zähneknirschend ihren Rivalen in Kampen das Glockenspiel zum Kauf an. Den Preis, den sie dafür verlangten, stand in keinem Verhältnis. Ihre Forderung war so hoch, dass Kampen sich gleich einige der besten Glockenspiele dafür hätte anfertigen lassen können.

Doch die Kampener stimmten, ohne lange zu überlegen, dem Kauf zu. Ob aus Unwissenheit oder einfach nur Gleichgültigkeit, sie waren bereit den viel zu hohen Preis zu bezahlen. Ihre einzige Bedingung war, dass das Glockenspiel sofort an ihrem Kirchturm angebracht wurde. Auch sollte es gleich eingestellt werden, da keiner aus Kampen die Kenntnis besaß, wie dies getan werden musste.
Als alles fertig war, standen die Bürger von Kampen, egal ob jung oder alt, vermögend oder arm, erwartungsvoll auf der Straße, um ihr neues Glockenspiel läuten zu hören. Als die Glocken ertönten war jeder verzückt und hoch des Lobes. Doch mit einmal verfinsterten sich ihre Mienen …
Bei genauem Hinhören erklang nämlich dieses Lied:
Tingeldebim – tingeldebam – tingeldebum,
Die Menschen in Kampen sind wirklich dumm.
Sie bezahlen für die Glocken viel zu viel Geld
und das eigenartige Lied – es lacht die ganze Welt!
Hört das Spottlied, das über der Stadt erklingt,
Zwolle hat Kampen ganz schön gelinkt!
Tingeldebim – tingeldebam – tingeldebum,
Was sind diese Leute aus Kampen doch dumm!
Die Kampener waren geschockt. Einige blickten verlegen zu Boden und andere ballten mit rotem Kopf wutentbrannt die Faust. So eine Unverschämtheit! Der Bürgermeister und der Pfarrer riefen in Windeseile alle Ratsherren zu sich, um zu beraten, wie sie auf diese Beleidigung reagieren mussten.
Ein hitziges Wortgefecht entflammte. Es wurden Stimmen laut, das Glockenspiel in die Ijssel zu werfen oder einfach nicht zu bezahlen. Doch nach vielem Hin und Her kam man zu der Erkenntnis, dass das alles nichts brachte. Als Ehrenleute wollte man zudem Wort halten und bezahlen, wie schändlich der Betrug auch war.
Nach weiteren Stunden des Überlegens hatte ein Ratsherr einen Vorschlag. „Wir bezahlen, aber wir müssen uns auch rächen“, sagte er, wobei die anderen zustimmend nickten. „Deshalb bezahlen wir alles in Centen“, ergänzte er lächelnd, „das werden Abertausende von Centen sein und die aus Zwolle müssen alles zählen!“.
Die anderen Herren waren begeistert. Auf diese Weise hielt man sich an die Vereinbarung und konnte denen aus Zwolle doch noch ein Schnippchen schlagen. Der Vorschlag wurde einstimmig angenommen. In und rund Kampen wurden in den folgenden Tagen alles Kleingeld eingesammelt, das man bekommen konnte.
Bald darauf gingen im Morgengrauen ein paar Kampener Ratsherren mit Säcken voller Centen nach Zwolle. Sie schleppten die Säcke in den Ratssaal und ließen sie auf den Boden fallen. Der herbeigeilte Bürgermeister fragte erstaunt, was das werden soll. Mit fester Stimme antworteten die Kampener, dass sie wegen ihrer Abmachung kommen und den vereinbarten Preis für das Glockenspiel bezahlen wollen. Die Zwoller Herren müssten jetzt nur noch das Geld zählen, um zu bestätigen, dass alles seine Richtigkeit hat.
Mit Grauen sah der Bürgermeister zu den Säcken. Er wollte noch protestieren, aber sah schnell ein, dass das keinen Sinn hatte. Deshalb blieb ihm gar nichts anderes übrig, als das Kleingeld zu zählen. Denn erst wenn alles seine Richtigkeit hatte, konnte die leere Zwoller Stadtkasse wieder gefüllt werden. Deshalb bestellte er noch einige der Ratsherren ein und zusammen zählten sie Cent für Cent. Als es Abend wurde, waren sie immer noch nicht fertig. Die Ratsherren hatten Hunger, Durst und waren müde. Sie hatten schon ganz rote Köpfe und die Augen brannten. Ihre Finger schmerzten und liefen langsam blau an. Sie zählten und zählten …

Die Kampener warteten während der ganzen Zeit geduldig bei der Tür. Auch wenn man es ihnen nicht ansah, mussten sie sich dennoch sehr beherrschen, ihre Schadenfreude nicht zu zeigen.
Am nächsten Tag war endlich auch der letzte Cent gezählt. Der Betrag stimmte! Der Bürgermeister nickte müde den Wartenden zu. Die falteten die leeren Geldsäcke zusammen, wobei noch einer von ihnen fragte: „Dann hat alles seine Richtigkeit, Herr Bürgermeister?“. Der blickte mit unterdrückter Wut und leerem Blick zu dem Kampener und nickte mühsam.
Als die Kampener gingen, spotteten sie noch leise: „Blaufinger!“.
Und bis heute hat sich der Name gehalten. Doch war in der Vergangenheit das Wort Blaufinger ein Schimpfwort , ist es heute ein Spitzname. Es ist selbst so, dass jedes Jahr im Sommer die Blaufinger-Tage in Zwolle stattfinden. An diesen Tagen werden besondere Aktivitäten organisiert und sind in der Stadt viele Schnäppchenkäufe zu finden.
Willst du noch mehr zu den beiden Städten an der Ijssel erfahren? Dann folge hier dem Link zu Zwolle oder hier nach Kampen.