In einer stürmischen, stockdunklen Oktobernacht im Jahre 1813 kauerte ein Fährmann neben seinem Boot am Rhein. Er versuchte, sich so gut wie möglich vor dem kalten Wind zu schützen und starrte aufs Wasser hinaus. Dumpf hörte er, wie die Domuhr zwölf schlug. Da spürte er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter und zuckte zusammen. Eine große, in einen schweren Umhang gehüllte Gestalt stand hinter ihm. Freundlich, aber bestimmt wurde der Mann aufgefordert, den Fremden auf die andere Seite des Rheins zu bringen.

Der Fährmann wollte gerade die Taue lösen, um abzulegen, da tauchten vier weitere Hünen aus dem Dunkel der Nacht auf. Diese glichen in ihrem Aussehen dem Ersten. Nun erkannte der Mann auch, dass sie eiserne Kronen auf ihren Häuptern trugen. Als alle sich auf dem Boot befanden und der Fährmann schon fürchtete, dass sein Boot zu schwer beladen war und sinken könnte, erfasste eine Böe das Gefährt und zog es mit ungeheurer Geschwindigkeit ans andere Ufer. Beim Aussteigen bedankten sich die dunklen Gestalten bei dem immer noch erstaunten Mann und versprachen ihm eine Belohnung bei ihrer Rückkehr.

Einige Nächte später, als der Fährmann wieder an seinem Platz saß, hörte er von der anderen Seite des Rheins eine kräftige Stimme rufen: „Hol über!“ Der Mann tat wie ihm geheißen und fuhr ans andere Ufer. Dort warteten wieder die fünf Hünen, die er bereits Tage zuvor übergesetzt hatte. Im Mondlicht sah der Fährmann nun auch die Rüstungen und Schwerter unter ihren Umhängen hervorblitzen.

Alles andere geschah wie beim ersten Mal. Sobald sich die riesigen Gestalten auf der Fähre befanden, wurde diese wie von Geisterhand sicher und schnell ans andere Ufer gebracht. Noch vor dem Aussteigen erhielt der Fährmann den versprochenen Lohn. Dann bewegten sich die Wesen lautlos und wie riesige Schatten auf den Dom zu, wo sie verschwanden.

Auch diesmal blieb der Fährmann verwundert zurück. Er konnte sich die Geschehnisse nicht erklären, solange er auch grübelte. Doch als die flüchtenden Franken nach der Schlacht bei Leipzig zum anderen Ufer, nach Speyer, gebracht werden wollten, wusste er genau, wen er in den Nächten zuvor übergesetzt hatte. Voller Stolz und Genugtuung dankte er den Kaisern in der Gruft im Dom zu Speyer, die geholfen hatten, Deutschland von fremder Herrschaft zu befreien.

Sage Speyer - Plastik Salischen Kaiser im Domgarten von Speyer
Die salischen Könige beim Dom zu Speyer

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