Hast du schon vom Flammenmann und den anderen unheimlichen Gestalten von der Geute gehört?
Die Geute war einst eine von fünf Mündungen, welche zum Ijsselmeer führten. Von alters her erzählte man sich zahlreiche Sagen und Mythen über dieses Gebiet. Meistens handelte es sich um unheimliche Begegnungen, die die Fischer hatten, wenn sie ihre Netze in diesem fischreichen Gebiet auswarfen.
So auch die Geschichte eines Fischers, der eines Nachts am Ufer der Geute vor Anker ging. Er und sein Gehilfe hatten sich zum Ausruhen niedergelegt und schliefen friedlich in der Kajüte. Sie hatten fast die ganze Nacht durchgefischt und ihr Fang war erstaunlich gut gewesen. Darum war es auch nicht verwunderlich, dass sie nach getaner Arbeit schnell und zufrieden in ihren Kojen einschlummerten.
Doch wer seine Netze in der Geute auswirft, der kommt nicht ungeschoren davon. Auch diesem Fischer und seinem Gehilfen geschah Sonderbares …
Mitten in der Nacht schreckte der junge Bursche nämlich auf, da er einen eigenartigen Gesang vernahm. Er war mehr als erstaunt, da es noch dunkel war und sie sich mit ihrem Boot an einer einsamen und unbewohnten Stelle befanden. Verwundert probierte er festzustellen, woher die Laute kamen. Da es ihm doch zu unheimlich war, weckte er den Schiffer und fragte flüsternd, ob er das Lied auch hören konnte.
„Watte? “ fragte der alte Schiffer und rieb sich die Augen. Ungeduldig und unsicher widerholte der Gehilfe seine Frage. Der Schiffer setzte sich auf und lauschte. Verdutzt hörte auch er den Gesang. Und was war das doch für ein eigenartiges Lied: „Die Lampe brennt, die Lampe brennt, aber wir gehen über den Sand“.
Der Schiffer und sein Gehilfe zogen rasch ihre Kleider an und gingen an Deck. Und was sie erblickten, erstaunte sie noch mehr! Alles war so unwirklich! Sie sahen die schemenhaften Umrisse von vier Männern auf dem Wasser. Doch kam auch der Gesang von diesen Schatten oder von irgendwo anders her?
Die beiden rührten sich nicht vom Fleck und starrten zu den vier Gestalten, die nun geradewegs auf sie zukamen. Was sollten sie tun? Sie hatten keine Ahnung, wie ihnen geschah. Zudem war jetzt ganz deutlich das Lied zu hören: „Hier brennt ein Lampe, aber wir gehen lieber über den Sand.“ Unheimlich! Sie hatten keine Ahnung, was die Worte bedeuten sollten.
Die Schattengestalten kamen immer näher. Dabei streckten sie ihre Arme aus. Als sie am Boot angelangt waren, legten sie ihre Hände auf den Rand und drückten so stark, dass der Botter sich gefährlich zur Seite neigte. Er war sogar kurz davor, gänzlich zu kippen und zu kentern.
Der Schiffer und sein Gehilfe waren immer noch wie gelähmt. Doch plötzlich durchzuckte sie es. „Das ist die Strafe, weil wir hier mit unseren Netzen gefischt haben!“, dachten die beiden erschrocken und erwachten aus ihrer Erstarrung. Schnell lösten sie die Vertäuung, stießen sich kräftig vom Ufer ab und nahmen hastig Kurs auf die offene See. Nach einer ihnen unendlich erscheinenden Zeit hatten sie die Geute und auch die unheimlichen Gestalten hinter sich gelassen.
Aber es gibt noch mehr Überlieferungen. Zum Beispiel die von einem weiteren Fischer, der seine Netze ebenfalls in der Geute ausgeworfen hatte. Bevor er mit seinem Kahn in das Mündungsgebiet fuhr, wurde er eindringlich von den anderen davor gewarnt. Der Fischer nahm das aber nicht ernst und antwortete nur spottend: „Was soll mir da schon passieren?“ Auch die wiederholte Mahnung: „Bleib da lieber weg, es passieren dort wirklich unheimliche Dinge!“, schlug der Fischer in der Wind.
So kam es, dass er fast die ganze Nacht unbekümmert fischte. Er konnte selbst einen großartigen Fang sein Eigen nennen. Dabei pfiff er vor sich hin und sein Knecht sang ein fröhliches Lied dazu. Sie dachten überhaupt nicht mehr an die Warnungen der anderen. Warum auch? Alles war hier doch sicher! Das Wasser war ruhig und der Fang enorm! Was wollten sie noch mehr?

Tja, wer nicht hören will, der muss eben fühlen. Dieser Spruch bewahrheitete sich auch hier. Denn plötzlich stand auf der Anhöhe am Ufer ein Mann, aus dem gewaltige Flammen schlugen. Groß und drohend wies mit seiner rechten Hand zum Meer.
„Herr“, schrie der Knecht ängstlich, „schau doch!“ „Watte?“, fragte der Fischer ungehalten, da er noch nichts bemerkt hatte, weil er zu beschäftigt war, die vollen Netze einzuholen. „Watte, Peter?“, wiederholte er. Sein Knecht erwiderte ängstlich, beinahe weinerlich: „Schau doch, dort an Land!“
Der Fischer hob seinen grauhaarigen Kopf und da sah er zu seinem Entsetzen die furchteinflößende Erscheinung hoch oben auf dem Deich stehen. Die riesige Männergestalt war in rotglühendes Feuer getaucht und seine Augen strahlten in einem gleißend weißen Licht. „Waaaaas ist das?“, keuchte der Schiffer. „Der Flammenmann“, schrie die vom Festland herüber, „der Flammenmann! Was suchst du hier in meinen Gewässern?“
Von einem zum anderen Moment vergaß der Fischer seinen Fang und hielt sich wie versteinert am Mast fest. Er schloss seine Augen, um das Ungeheuer nicht mehr sehen zu müssen. Aber das half auch nichts, da das gleißende Licht seine Augenlieder einfach durchdrang.
Der drohende Arm des Flammenmanns wies dabei die ganze Zeit in Richtung See. „Wir müssen weg!“, schrie der Knecht panisch. „Ja weg, weg …“, keuchte der alte Fischer. Er gab sich einen Ruck und übernahm schnell das Ruder. Die Segel wurden geschwind gehisst, um schnellstmöglich auf das offene Meer zu flüchten.
Auch diese beiden Fischer kamen mit dem Schrecken davon und kehrten nie wieder zur Geute zurück.
Und es gibt noch eine andere Erzählung …
Es war nachts, ein leichter Wind ging und ein heller Mond schien. Die Fischer warfen ihre Netze aus und sie hatten, genauso wie die anderen, einen sehr guten Fang. In der Geute gab es nun einmal wirklich viel Fisch. Doch auch diese zwei Fischer wurden verjagt. Diesmal nicht von Schatten oder Flammenmännern, sondern von einer weißen Spukgestalt.
Diese Spukgestalt sah erst wie eine kleine weiße Wolken aus. Deshalb schenkten die Fischer ihr zu Beginn auch keine große Aufmerksamkeit, wobei noch kurz zuvor einer von ihnen gefragt hatte: „Siehst du die kleinen Wolken da?“ „Datte?“, fragte der andere und zuckte nur die Schulten, um sich gleich wieder mit seinem Fang zu beschäftigen.
Doch die Wolke wurde größer und größer. Plötzlich nahm sie die Form einer riesigen, gespenstischen Gestalt an. Diese Erscheinung kam immer näher und befand sich nach kurzer Zeit genau vor dem Boot. Furchteinflößend blitzten die Augen und der weite Mantel blähte sich im Wind auf. Die langen, dürren Arme ruderten durch die Luft und der Mund des Monsters war weit aufgerissen.
Die Fischer verloren keine Zeit und suchten mit ihren Boot sofort das Weite. Erst als sie draußen auf dem Meer waren und das Monster hinter sich gelassen hatten, erholten sie sich etwas von ihrem Schrecken.
Nein, auf der Geute geht es wirklich nicht mit rechten Dingen zu!
Nacherzählt entsprechend der Sage „De vurige man van de Geute“ aus dem Volksverhalen Almanak
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