“Einst lebt auf Ster­ren­berg, der nörd­li­chen Burg, ein reicher, mäch­tiger Ritter. Er besaß zwei Söhne und eine Tochter, die blind war. Der Vater erbaute für seinen jüngeren Sohn neben der Stamm­burg eine zweite, die er Lieben­stein nannte. Es war sein unab­ding­barer Wille, dass die Brüder nach seinem Tod das Vermögen in gerechter Weise mit ihrer Schwester teilen sollten.

Als der Vater die Augen geschossen hatte, machten die Söhne sich daran, das Gebre­chen des armen Mädchens auszu­nützen und es um seinen Anteil zu betrügen. Der hinter­las­sene Schatz war so groß, dass die Gold und Silber­stücke mit Schef­feln gemessen werden mussten. Jedesmal, wenn die Schwester an der Reihe war, stülpten sie den Scheffel um und belegten nur die Außen­seite des Bodens mit Geld­stü­cken, und die Blinde, der man das hölzerne Maß zu betasten gab, hielt den Scheffel für gefüllt. So kam die Arme um den größten Teil ihres Erbes; aber auf dem Geld des betro­genen Ritter­fräu­leins lag Gottes reicher Segen. Sie verbrauchte kaum einen Heller für sich, sie stif­tete viel­mehr davon drei Orte der Andacht: Born­hofen, Kied­rich und Not-Gottes, zu denen bis auf den heutigen Tag lobsin­gend Pilger wallen.

Über das unge­rechte, schmäh­lich erschli­chene Gut der beiden Brüder aber kam Gottes gerechte Strafe. Schon wenige Wochen nach des Vaters Tod gerieten sie mitein­ander in erbit­terten Streit. Da selbst des Kaisers Majestät den Zank nicht schlichten konnte, errich­teten sie hass­erfüllt eine Mauer zwischen den Burgen, hoch genug, dass keiner mehr den anderen ins Gehege kommen konnte.

In kurzer Zeit war das Geld zerronnen, und große Not kam über sie. Erst, als jeder auch seinen letzten Heller vertan hatte, versöhnten sie sich wieder; aber es war dennoch kein Glück mehr bei ihnen. Eines Tages verab­re­deten die beiden Brüder, früh­mor­gens auf die Jagd zu gehen. Sie machten ab, dass der, der zuerst aufwache, den anderen wecken solle. Da nun der eine sich früher als der andere erhob und den Fens­ter­laden in der benach­barten Burg noch verschlossen sah, schoss er den Bruder zu wecken, einen Pfeil hinüber. Im glei­chen Augen­blick jedoch öffnete jener das Fenster und ward von dem Geschoss ins Herz getroffen. Der Bruder­mörder wider Willen wanderte auf langer, mühse­liger Fahrt zum heiligen Grab und starb dort an Entkräf­tung. Da auch die Schwester nicht mehr lebte, gelangte das Erbe der feind­li­chen Brüder in fremde Hände.”

Quelle: W. Monschauer, 1988
Diese Version der Sage wurde wört­lich von der Infor­ma­ti­ons­tafel über­nommen, die sich am Rund­wan­derweg Fünf­seen­blick befindet.

Sage von der Burg Sterrenberg und Liebenstein am Rhein, die feindlichen Brüder
Info-Tafel mit Sage

Dieser Text wurde von der Infor­ma­ti­ons­tafel, die sich entlang des Rund­wan­der­weges Fünf­seen­blick ober­halb von Boppard befindet, über­nommen.


Es gibt noch eine weitere Version der Sage zu Burg Ster­ren­berg und Lieben­stein, die “Die feind­li­chen Brüder” heißt.

Gedichte über die Burgen Ster­ren­berg und Lieben­stein:  “Zwei Brüder” von Hein­rich Heine mit der engli­schen Über­set­zung “The Warring Brot­hers