Wie die Nachtigallen in das Wäldchen bei Honnef kamen

Dieses für die Auenlandschaft typische Wäldchen mit dichter Krautvegetation und üppigem Unterholz bot einst einen idealen Lebensraum für Nachtigallen und viele andere Tiere. Erstmals erwähnt wurde es im 9. Jahrhundert im „Goldenen Buch von Prüm“.
Heute ist jedoch nur noch ein kleiner Teil des ursprünglichen Waldes erhalten. Durch Rodungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts und zunehmende Bebauung ist der Gesang der Nachtigallen in diesem Gebiet verstummt.
Was aber bis heute erhalten geblieben ist, ist die Sage vom Nachtigallenwäldchen. Sie erzählt, wie die Vögel einst in den sagenumwobenen Wald kamen.
Sage vom Nachtigallenwäldchen
Im 12. Jahrhundert galt das Kloster Himmerod in der Eifel als das eigentliche Zuhause der Nachtigallen. Hier sangen sie in der Abenddämmerung ihr wunderschönes Lied und verzauberten jeden, der sie hörte. Auch die Mönche, die in den Kreuzgängen und im Klostergarten wandelten, lauschten wie entrückt ihren wunderbaren Melodien.
Doch die verführerischen Klänge rührten auch an verborgenen Sehnsüchten. So manches fromme Mönchsherz erinnerte sich schmerzlich an die entsagten weltlichen Dinge und verspürte plötzlich eine neue, ungewohnte Abenteuerlust.
Als der heilige Bernhard von Clairvaux die Abtei besuchte und in die Herzen der Mönche blickte, erfüllte ihn das mit tiefer Betrübnis. Er sah den inneren Zwiespalt und war erschüttert, wie sehr das friedliche Gemüt seiner Brüder unter der Macht des Gesangs litt.
Der Heilige wurde selbst so zornig, dass er sich nicht mehr beherrschen konnte und seinen Unmut laut im Klosterwald herausschrie. Das erschreckte die Nachtigallen sehr, sodass sie aufgeregt zwischen den Bäumen umherflatterten. Dann sangen sie ein letztes, klagendes Lied – und verließen für immer den heiligen Ort.
Viele von ihnen flogen den Rhein entlang bis zu dem stillen Tal bei Honnef. Dort fanden sie im Wäldchen am Fuße des Drachenbergs einen geeigneten Ort, um sich im Schutze des Bergrückens niederzulassen.
Die Wanderer, die durch den Wald kamen, lauschten wohlwollend und verzückt dem Gesang der neuen Bewohner. Eingenommen vom schönen Klang der Nachtigallenlieder, deutete jeder den Gesang auf seine Weise – abhängig von Stimmung und Gemüt.
Diese Sage vom Nachtigallenwäldchen geht auf ein Gedicht von Karl Simrock zurück:
Das Nachtigallenwäldchen bei Honnef
Hinweg von Kloster Himmelrath,
Verführerinnen, Nachtigallen!
Ihr habt mit brünst’ger Lieder Schallen
Den Mönch verlockt vom Himmelspfad.
Nicht länger soll wollüst’ger Laut
Der Brüder strengen Sinn betören;
Ich habe Macht, euch zu beschwören:
Hinweg, eh’ ihr mich zornig schaut.
St. Bernhard hob die Hand empor:
Da floh, geschreckt von seinem Dräuen,
In alle Welt sich zu zerstreuen,
Der Sängerinnen Jubelchor.
Die meisten flogen an den Rhein:
Bei Honnef in dem schönen Tale,
Da schloß sie vor dem heißen Strahle
Ein Wald in duft’ge Schatten ein.
Sie saßen im belaubten Dom
Und sangen ihre sel’gen Lieder,
Die sieben Berge hallten wider,
Andächtig floß vorbei der Strom.
Der Wandrer, den ein Leid gedrückt,
Vernahm’s und ging dahin getroster;
Die Nonnen in dem Inselkloster,
Zum Himmel ward ihr Geist entzückt.
Das ist fürwahr nicht sünd’ge Lust,
Das ist kein irdisch eitles Klingen:
St. Bernhard, hörtest du sie singen!
Sie loben Gott aus voller Brust.