Eine Sage vom Bodensee

Wendelgard Sage: Rebhäuschen in den Weinbergen Haltnau
Weingut Haltnau mit Rebhäus­chen

Zwischen Meers­burg und Hagnau liegt das idyl­li­sche Rebgut Haltnau, das sich seit dem Jahr 1272 im Besitz der Spital­stif­tung Konstanz befindet.

Ursprüng­lich gehörten die ertrag­rei­chen Wein­berge mit ihrer sonnigen Südhang­lage der Adligen Wendel­gard von Haltnau. Trotz ihres beträcht­li­chen Vermö­gens war sie einsam und unglück­lich, denn die Menschen in ihrer Umge­bung mieden sie. Ihre äußere Erschei­nung galt als wenig anspre­chend, manche empfanden sie gar als absto­ßend. Man sagte, Nase und Mund erin­nerten an einen Schwei­ne­rüssel, und zudem soll sie einen Buckel gehabt haben.

Freunde oder Verehrer, die um ihre Gunst warben, blieben aus. Die Adelige bedau­erte das sehr und litt unter den Zurück­wei­sungen.

Blick vom Weinberg zum Bodensee
Blick vom Wein­berg zum Bodensee

Da sie dennoch nicht auf die Gesell­schaft anderer Menschen verzichten wollte, fasste sie einen außer­ge­wöhn­li­chen Entschluss: Sie bot dem Bürger­meister und dem Stadtrat von Meers­burg ihr gesamtes Eigentum an – unter der Bedin­gung, dass an jedem Wochen­ende einer der Rats­herren sie auf ihrer Kutsch­fahrt begleite, mit ihr das Sonn­tags­mahl teile und sich mit einem Abschieds­kuss von ihr verab­schiede.

Der Stadtrat von Meers­burg bat um Bedenk­zeit und zog sich zur Bera­tung zurück. Doch niemand wollte so recht auf die Forde­rungen Wendel­gards eingehen. Obwohl die Aussicht auf die Wein­berge äußerst verlo­ckend war, entschied man sich letzt­lich gegen das Angebot, da die Bedin­gungen zu proble­ma­tisch erschienen.

Die Adlige war sehr betrübt, ließ sich aber nicht so schnell entmu­tigen. Sie unter­brei­tete denselben Vorschlag dem Konstanzer Stadtrat. Nach kurzem Abwägen stimmte dieser zu.

Von da an kam jeden Sonntag ein Rats­herr aus Konstanz, um Wendel­gard Gesell­schaft zu leisten und den Tag mit ihr zu verbringen. Die Wein­gut­be­sit­zerin genoss die Aufmerk­sam­keit und blühte auf. Sie lebte noch ein langes und erfülltes Leben und wurde über 90 Jahre alt. Nach ihrem Tod ging das gesamte Anwesen wie verein­bart in den Besitz der Stadt Konstanz über.


Spottvers

Wer in Konstanz ein Glas Halt­nau­wein genießt, wird viel­leicht den alten Spott­vers kennen, mit dem die Rats­leute einst über Wendel­gard lästerten – nicht ohne sich dabei den Reben­saft schme­cken zu lassen:

„Zum Wohl der Stadt trotz Rüssel
Fress’ ich aus dieser Schüssel.
Die Wendel­gard gleicht zwar dem Schwein
Doch stärk’ ich mich am Halt­nau­wein.“


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Quelle: Norbert Fromm, Michael Kuthe, Walter Rügert: Wendel­gart von Halten. In: Ulrich Büttner und Egon Schwär: Neue Sagen der Stadt Konstanz und Umge­bung. Frei­burger Echo Verlag. Stegen 2011. ISBN 978–3‑86028–247‑2. S. 14


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