Das Städtchen St. Goar, das sich gegenüber der Loreley befindet, ist nach dem Priestermönch Goar benannt. Dieser gottesfürchtige Mann lebte während des ersten Jahrhunderts hier am Rhein und war für seine Wunder wie auch seine Hilfsbereitschaft und Güte bekannt.
Geschichte des heiligen Goar

Goar wurde um das Jahr 495 in Aquitanien, in heutigen Frankreich, geboren. Er entstammte dem Adel, seine Mutter hieß Valeria und sein Vater Georgius.
Von Kindheit an führte Goar ein frommes Leben. Da er bereits in jungen Jahren Wunder vollbrachte, wurde er bald als heilig angesehen. Je sichtbarer seine Liebe zu Gott und seine guten Taten wurden, desto mehr bewunderten ihn die Menschen und sahen in ihm ein Vorbild für ein gottesfürchtiges Leben. Sein Ansehen war so groß, dass er schon als junger Mann zum Priester geweiht wurde.
Getrieben vom Wunsch, den Glauben und die Lehre Gottes zu verbreiten, verließ Goar seine Heimat und wanderte bis an die äußersten Grenzen Galliens. Schließlich gelangte er auch an den Rhein, an den Ort, der heute als St. Goar bekannt ist und damals zum Bistum Trier gehörte. Hier errichtete er eine Kapelle, für die er die kirchliche Zustimmung erhalten hatte.
Durch sein gottesfürchtiges, bescheidenes und zugleich großzügiges Wesen wie auch die Wunder, die er bewirkte, konnte Goar viele Menschen in seiner Umgebung bekehren. Er war beliebt und seine Gastfreundschaft, insbesondere gegenüber den Rheinschiffern, war weithin bekannt.
Doch wo Licht ist, fällt auch Schatten — nicht jeder begegnete dem frommen Mann wohlwollend.
Besuch aus Trier
Eines Tages erschienen unter einem Vorwand zwei Gesandte des Trierer Bischofs namens Albuinus und Adalwinus. Mit Argwohn beobachteten sie genau, was der heilige Mann tat. Als sie sahen, dass er nach seiner morgendlichen Andacht sein Mahl gemeinsam mit den Pilgern und Armen einnahm, glaubten sie, endlich einen Grund gefunden zu haben, ihn anzuprangern.
Zurück in Trier berichteten die beiden Bischof Rusticus, was sie gesehen hatten. Dabei wiesen sie besonders darauf hin, dass Goar sich nicht an die strengen Essensregeln eines enthaltsamen Mönchs gehalten habe. Vielmehr — so behaupteten sie — frönte er der Völlerei und versuchte, dies unter dem Deckmantel der Religion zu verbergen. Damit schade Goar als Zugereister nicht nur den dort lebenden Menschen, sondern untergrabe auch die Autorität des Bischofs.
Der Heilige Goar wird zum Bischof gerufen
Als Rusticus das hörte, geriet er in Zorn und beauftragte die beiden, den Mönch umgehend nach Trier zu bringen. Wie geheißen machten sie sich sogleich auf den Weg. Am Rhein angekommen, überbrachten sie Goar die Nachricht, dass der Bischof ihn zu sprechen wünschte.
Goar war, wenn auch nicht ohne Bedenken, über die Einladung des Bischofs erfreut. Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, diese abzulehnen. Am nächsten Morgen, nachdem er gut für seine Gäste gesorgt und Gott alle Ehre erwiesen hatte, ließ er alles für die Reise vorbereiten.
Um gestärkt den langen Weg anzutreten, lud er auch die beiden Gesandten zu einer gemeinsamen Brotmahlzeit ein. Diese lehnten jedoch scheinheilig ab und verwiesen auf die vorgeschriebene Zeit für Essen und Trinken– insgeheim froh, einen weiteren vermeintlichen Beweis gegen Goar in Händen zu haben. Gleichwohl baten sie um Proviant, den der gutmütige Goar ihnen bereitwillig mitgab.
Die Reise nach Trier
Noch früh am Morgen machte sich die Gruppe auf den Weg nach Trier. Als es Mittag wurde und die Sonne am höchsten stand, legten sie eine Rast ein. Während Goar in sein Gebet vertieft war, suchten Albuinus und Adalwinus, die von Hunger und Durst geplagt waren, nach dem Bach, der ganz in der Nähe sein musste. Doch zu ihrem Entsetzen war dieser ausgetrocknet. Als sie ihre Proviantbeutel hervorholten und öffneten, mussten sie feststellen, dass diese leer waren. Völlig verstört begriffen sie nicht, wie das geschehen war.
Hungrig und ermattet setzten sie ihren Ritt fort. Als Albuinus vor Erschöpfung leblos vom Pferd fiel, flehte Adalwinus den Gottesmann an, sich ihrer zu erbarmen. Goar entgegnete, dass sie am Morgen die Gunst, die ihnen aus Liebe zu Christus zuteil geworden war, nicht hätten ausschlagen dürfen.
Das Wunder mit den Hirschkühen
Im selben Moment erblickte Goar in der Ferne drei prächtige Hirschkühe. Er rief die Tiere zu sich — und erstaunlicherweise gehorchten sie ihm. Der Mönch nahm ihre Euter und melkte sie. Mit der Milch bedeckte er die Glieder des am Boden liegenden Albuinus. Dieser erwachte wieder zum Leben. Auch Adalwinus erlangte durch die Milch neue Kräfte. Danach forderte der fromme Mann die beiden auf, zum Bach zurückzukehren, Wasser zu schöpfen und etwas von ihrem Proviant zu essen, um ihre hungrigen Körper zu stärken.
Wie Goar es angewiesen hatte, so geschah es auch. Albuinus und Adalwinus kehrten zum Bach zurück, der nun Wasser führte, und fanden auch ihre zuvor leeren Proviantsäcke gefüllt vor. Sie staunten sehr über das, was geschehen war, und zugleich überkam sie Furcht angesichts der Macht, die dieser Diener Gottes offenbar besaß.
In Trier angekommen, suchte Goar zunächst die unterschiedlichen Kirchen der Stadt auf, um Gott zu huldigen. Währenddessen begaben sich die beiden Gesandten auf direktem Weg zum Bischof. Sie berichteten ihm von ihrer Ankunft und von dem, was sie erlebt hatten. Der Bischof jedoch zeigte sich keineswegs überzeugt, dass es sich bei dem Erzählten um göttliche Taten handelte – vielmehr hielt er alles für schwarze Magie. Zudem sah er das Nichteinhalten des morgendlichen Fastens und der Enthaltsamkeit als schwere Gotteslästerung.
Die Ankunft beim Bischof
Als Goar zu Bischof Rusticus in die Kirche kam, war dieser noch mit seinem Gefolge in ein lebhaftes Gespräch vertieft. Der fromme Mann schaute sich um, wo er seinen Mantel aufhängen konnte. Dabei erblickte er in einer Ecke des Raumes etwas, das wie einen Holzhaken aussah. In Wahrheit war es aber ein Sonnenstrahl, der durch das Fenster fiel. Überzeugt davon, dass es sich um einen Haken handelte, hängte Goar seinen Mantel daran und forderte seine Begleiter auf, es ihm gleichzutun.
Göttliche Wunder in Trier
Der Bischof sah dies und erzürnte, da er auch dies für einen magischen Trick hielt. Er forderte Goar auf, ihm umgehend zu beweisen, dass er mit göttlicher Hilfe Wunder zu vollbringen vermag. Daraufhin wurde ein Findelkind von einem Diener in den Raum getragen. Das in Tücher gewickelte Baby war erst drei Tage alt und seine Eltern unbekannt. Es war kurz zuvor in der Marmormuschel am Eingang der Kirche gefunden worden – jener Schale, in der Mütter in größter Not ihr Neugeborenes ablegen konnten.
Der Bischoff forderte nun Goar auf, dass dieses Kind mit Hilfe Gottes sprechen und den Namen seiner Eltern nennen sollte. Der fromme Mann hörte dies und war zutiefst erschüttert. Er begann am ganzen Leib zu zittern — wusste er doch, dass das, was von ihm verlangte wurde, unmöglich war. All seine bisherigen guten Taten drohten nun in einem zweifelhaften Licht zu erscheinen.
Goar sah keinen anderen Ausweg als das Gebet und sich an Gott zu wenden. Er breitete die Arme aus und rief: “Christus, Du hast Dich für die Menschen hingegeben und Knechtsgestalt angenommen — sei mir, Deinem unwürdigen Diener, gnädig und komm mir in dieser Not mit Deiner Kraft und Macht zu Hilfe, damit der hiesige Bischof und sein Volk erkennen, dass ich Dich liebe und anbete und bereit bin, Dir zu dienen, Du, Schöpfer und Erlöser aller Menschen!”
Dann wandte er sich dem Kind zu und fuhr fort: “Heilige Dreifaltigkeit, ich richte mein Flehen an Dich. Und Du, mein Kind, ich bitte Dich im Namen der Heiligen Dreifaltigkeit: Sag uns deutlich, wer Deine Eltern sind!” Da streckte das Kind dem Bischof die Hand entgegen und sprach mit fester Stimme: “Der da, das ist mein Vater, Bischof Rusticus, und meine Mutter heißt Flavia”*.
Durch dieses Gottesurteil kam die verborgene Tat des Bischofs ans Licht. Der, der gehofft hatte, nie entdeckt zu werden, sank in sich zusammen und empfand tiefe Reue. Fortan zweifelte er keinen Moment mehr daran, dass Goar ein von Gott Auserwählter war. Niemand außer ihm selbst und der Frau, mit der er eine unerlaubte Beziehung geführt hatte, sollte je davon erfahren – so hatte er geglaubt.
Sieben Jahre
Die Kunde von diesem Wunder verbreitete sich rasch. Auch König Sigibert hörte davon und ließ Goar zu sich kommen. Er fragte ihn, ob das, was er gehört habe, wahr sei. Der fromme Mann bestätigte dies – ohne weitere Ausführungen. Im Volk und unter den hohen Herren wurden Stimmen laut, Rusticus abzusetzen und Goar zum Bischof von Trier zu ernennen. Goar sollte die Kirche leiten, weil er durch Wunder und Tugend eine Zierde für dieses geistliche Amt sei.
Der König wollte dem Wunsch seines Volkes wohlwollend folgen. Mit Zustimmung der anwesenden Priester und Höflinge wies er Goar an, das Bischofsamt zu übernehmen. Doch der Mönch erschrak. Der Beschluss kam ihm voreilig vor – vor allem wollte er Bischof Rusticus Gelegenheit zur Buße geben.
Als Goar jedoch merkte, wie entschlossen der König war, bat er demütig unter Tränen, erst in seine Zelle am Rhein zurückkehren zu dürfen, um die Angelegenheit in Ruhe zu überdenken. Der König zeigte sich überrascht, hatte aber keine Einwände.
Zurück am Rhein, rang Goar unablässig mit sich. Er betete zu Gott und flehte aus tiefstem Herzen, ihm gnädig zu sein und die Last eines solchen Hirtenamtes von ihm zu nehmen. Noch im Gebet versunken, erkrankte der fromme Mann an einem heftigen Fieber.
Sieben Jahre blieb Goar an sein Krankenlager gefesselt. Bischof Rusticus nutzte diese Zeit zur aufrichtigen Reue und Läuterung. Nach Ablauf der Jahre erinnerte sich König Sigibert wieder an seine Pläne und schickte einen Boten zu dem Mönch. Als dieser bei Goar eintraf, war dessen Zustand kritisch.
Goar spürte, dass seine Lebenszeit zu Ende ging. Er trug dem Boten auf, dem König auszurichten, dass er das ihm zugedachte Amt nicht mehr annehmen könne. Zugleich sagte er ihm voraus, dass er als König noch viele Verdienste und großen Ruhm erwerben werde. Zum Abschied richtete er die Bitte an den König, ihm für seine letzten Tage die Priester Agrippinus und Eusebius zu schicken.
Der König kam diesen Wunsch mit traurigem Herzen nach. An einem 6. Juli starb Goar in seiner Zelle, in der er so viele Jahre im Dienste Gottes verbracht hatte. Agrippinus, Eusebius und die weiteren anwesenden Priester und Adligen erwiesen ihm die letzte Ehre und bestatteten ihn in der von ihm erbauten Kirche.
Noch heute
An jener Stelle, an der einst die vom heiligen Goar errichtete Zelle zur Beherbergung von Geistlichen und Gläubigen stand, erhebt sich heute die Stiftskirche von St. Goar – die evangelische Gemeindekirche der Stadt. In der katholischen Kirche St. Goar und St. Elisabeth befindet sich die Tumbaplatte des Grabes des heiligen Goar. Diese Platte mit der lebensgroßen Darstellung des Heiligen, die in der Wand der Krypta angebracht ist, entstand um das Jahr 1340 und gilt als bedeutendes Werk der mittelrheinischen Bildhauerkunst.


*Das geschilderte Begebenheit entbehrt nicht einer gewissen Realität, denn es ist belegt, dass Erzbischof Rusticus wegen seiner Beziehung zu einer Nonne sein Amt niederlegen musste.
Quelle: Aufzeichnungen des Mönchs Wandalbert von Prüm; https://www.heiligen.net/heiligen/07/06/07–06-0575-goar.php
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