Die heilige Cunera von Rhenen

Der Legende nach war Cunera eine schottische Prinzessin – die Tochter von Aurellus, dem König von York sowie Florenzia, die wiederum Nachkommin eines babylonischen Herrschers war. Noch vor ihrer Geburt wurde dem elterlichen Königspaar von einem Juden vorausgesagt, dass das Mädchen einmal auf außergewöhnliche Weise dem Wohle der Menschen dienen werde.
Von klein auf wurde Cunera im christlichen Glauben erzogen. Durch ihre umsichtige und hilfsbereite Art erfreute sie sich am Hof ihrer Eltern schon früh großer Beliebtheit. Im Jahr 337 schloss sie sich der heiligen Ursula und deren Gefolge von 11.000 Jungfrauen an. Zusammen mit ihnen unternahm sie eine Wallfahrt nach Rom, wo sie von Papst Cyriacus empfangen wurden.
Auf der Rückreise über den Rhein gelangten sie nach Köln, wo ein erbitterter Krieg tobte: Die Hunnen hatten die Stadt und die umliegenden Dörfer angegriffen. Ursula und die meisten ihrer Gefährtinnen wurden von den Angreifern erbarmungslos niedergemetzelt und starben den Märtyrertod. Cunera jedoch entging diesem Schicksal durch glückliche Fügung und wurde am Hof des rheinischen Königs Radboud aufgenommen.
Die Burg Radbouds lag in Rhenen, einem Ort am Rhein im heutigen Gebiet der Niederlande. Dort übernahm Cunera zunächst einfache Aufgaben in der Haushaltung. Da der König mit ihrer Arbeit höchst zufrieden war, vertraute er ihr schon bald die Wirtschaftsführung der Burg an.
Doch Aldegonde, die Gemahlin des Königs, sah diese Entwicklung mit wachsendem Argwohn. Sie neidete Cunera sowohl die Position am Hof als auch die Gunst des Königs. Je beliebter Cunera wurde, desto stärker wuchs der Hass der Königin, die sie fortan mit größtem Argwohn misstrauisch beobachtete.
Eines Abends, als Cunera die Reste der königlichen Tafel einsammelte und unter ihrer Schürze verbarg, um sie unter den Armen in der Stadt zu verteilen, schleppte die Königin sie vor den König und beschuldigte sie des Diebstahls. Der König befahl seinen Dienern die Schürze ihres Rocks zu heben, um zu sehen, was sie darunter verbarg. Als Cunera jedoch ihre Schürze beiseiteschob, waren auf ihrem Schoß nur Holzspäne zu sehen. Der König wandte seinen Zorn gegen seine Gemahlin und bezichtigte sie der Lüge. Doch in ihrer grenzenlosen Eifersucht war dies für Aldegonde nur ein weiterer Ansporn, Cunera zu vernichten.
Als Radboud am 28. Oktober 340 zur Jagd ausritt, nutzte Aldegonde die Gelegenheit, ihren lang vorbereiteten, hinterhältigen Plan in die Tat umzusetzen. Mit dem Halstuch, das Cunera stets als Andenken an ihre Eltern trug, erdrosselte sie die junge Frau. Anschließend ließ sie die Leiche von ihren Gehilfen in einem der Pferdeställe verscharren.
Nach seiner Rückkehr bemerkte der König rasch Cuneras Abwesenheit. Trotz seiner Nachfragen konnte oder wollte niemand Auskunft geben. Zudem fiel ihm noch etwas sehr Eigenartiges auf. Seine Pferde weigerten sich hartnäckig, einen bestimmten Stall zu betreten. Wenn die Stallknechte die Tiere jedoch zu einem anderen führten, gingen sie ohne zu zögern und bereitwillig mit.
Der König fand das Verhalten seiner Tiere äußerst verdächtig. Nachdem ihm auch noch einer seiner Burschen berichtet hatte, dass er brennende Kerzen im fraglichen Stall gesehen habe, beschloss der König, dem nachzugehen. Er ließ die offensichtlich frisch aufgeschüttete Erde im Stall abtragen und fand zu seinem großen Entsetzen den Leichnam der von ihm verehrten Cunera.

Sein Verdacht fiel sofort auf die Königin. Um der drohenden Wut ihres Gatten zu entgehen, ergriff Aldegonde noch in derselben Nacht panisch die Flucht. Dabei stürzte sie vom Grebbeberg in den Tod.
Radboud ließ Cunera auf einem nahegelegenen Hügel bestatten, der bis heute ihren Namen trägt. Das Volk verehrte sie auch nach ihrem Tod und erinnerte sich an ihre Wohltaten und christliche Nächstenliebe.
Wie es weiterging …
Drei Jahrhunderte später ließ Willibrord, der damals Bischof von Utrecht war, das Grab von Cunera öffnen. Zu seiner großen Verwunderung fand er den Körper völlig unversehrt vor, ebenso das Würgetuch, das keinerlei Spuren des Verfalls zeigte. Er ließ daraufhin die Gebeine in die Peterskirche überführen, welche seitdem der heiligen Cunera geweiht ist. Ihr Gedenktag wird alljährlich am 12. Juni begangen.
Bis heute ist Cunera die Stadtpatronin von Rhenen und Schutzheilige gegen Kehl- und Tierkrankheiten.

Quellen: Rhenen auf Wikipedia.de; mainzerbeobachter.com/2015/06/17/cunera-van-rhenen; vrouwelijkgoddelijke.wordpress.com/2015/06/01/de-heilige-cunera-en-haar-pre-christelijke-oorsprong/
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