Die meisten kennen die Lieb­frau­en­milch — einen milden und eher süßlich schme­ckenden Weiß­wein. Heut­zu­tage wird er von unter­schied­li­chen Wein­kel­le­reien in diversen Regionen erzeugt. Doch das war nicht immer so …

Weißt du, wie der Name Liebfrauenmilch entstand?

In Worms lebte einst ein Ritter, der aus einem reichen und edlen Geschlecht stammte. Er genoss die Annehm­lich­keiten des Lebens in vollen Zügen, ohne viel dafür zu tun. Er war gern in Gesell­schaft, liebte Trank und Gesang. So schwand sein ererbter Reichtum mehr und mehr dahin.

Eines Abends saß er wieder einmal in seinem großen mittel­al­ter­li­chen Haus, bereits leicht ange­trunken, und leerte den letzten Krug Wein aus seinem einst üppig gefüllten Wein­keller. Da sah er im Kerzen­schein einen Fremden in fürst­li­cher Klei­dung vor der halb geöff­neten Tür stehen. Der Ritter winkte den Gast zu sich und lud ihn auf einen Becher Wein ein. Dieser nahm freudig an und die beiden Männer kamen ins Gespräch. Dabei lobte der Ritter seinen Wein in den höchsten Tönen. Sein Gast stimmte ihm zu, meinte aber auch, dass er schon besseren Wein getrunken habe. Dieser Wein, von dem er sprach, käme aus dem Süden und entfache in jedem, der ihn trinke, ein wahres Feuer. Der Ritter hörte etwas belei­digt, aber auch inter­es­siert zu. Da er Wein über alles liebte, wollte er einen solchen feurigen Wein natür­lich unbe­dingt selbst einmal probieren.

Als der Fremde das große Inter­esse des Ritters bemerkte, machte er ihm einen Vorschlag. Er würde den gesamten Wein­berg der Lieb­frau­en­kirche mit den Reben dieses wunder­baren Weins bepflanzen, wenn der Ritter eine Bedin­gung erfülle. Als Dank müsse er ihm ledig­lich seine Seele schenken. Der Ritter, der aufmerksam zuge­hört hatte, musterte seinen Gast nach­denk­lich. Sein Blick verweilte auch kurz auf dem Gewand des Fremden, unter dem ein Pfer­defuß hervor­lugte. Da wusste er, dass er es mit dem Teufel höchst­per­sön­lich zu tun hatte. Doch das schreckte ihn nicht. Seine Lage war so miss­lich und er liebte nun einmal den Wein über alles. Warum sollte er es nicht darauf ankommen lassen? Viel hatte er nicht zu verlieren. Ohne lange zu zögern, ging er auf den Pakt mit dem Teufel ein.

Liebfrauenkirche in Worms mit Weingarten Liebfrauenmilch
Turm der Liebfrauenkirche zu Worms am Weinberg Liebfrauenmilch

Nachdem sein Gast gegangen war, schaute der Ritter unver­züg­lich nach seinem Wein­berg. Genau wie der Teufel es verspro­chen hatte, standen dort neue üppige Reben, die bereits in voller Blüte waren. Auch während des heißen Sommers entwi­ckelten sich die Rebstöcke bestens, und im Herbst trugen sie pracht­volle Trauben. Die Ernte wurde einge­bracht und ein köst­li­cher Wein gekel­tert. Als der Ritter in ausge­las­sener Runde den ersten Becher leerte, waren die Glocken der Lieb­frau­en­kirche mit ihrem hellen und kräf­tigen Klang zu hören. In diesem Moment beschloss der Ritter, den Wein zu Ehren der Mutter Gottes Lieben­frau­en­milch zu nennen. Schließ­lich war er doch jeden Tag auf seinem Weg zum Wein­berg an ihrem Bildnis vorbei­ge­kommen.

Einige Wochen später, gegen Ende des Jahres, klopfte der Teufel wiederum unge­duldig an die Tür. Da der Ritter den köst­li­chen Reben­saft, wie verspro­chen, gekostet und in vollen Zügen davon genossen hatte, forderte der Teufel ihn nun auf, auch seinen Teil der Abma­chung einzu­lösen. Der Ritter solle ihm deshalb folgen, damit er seine Seele in Empfang nehmen könne. Als die beiden sich auf den Weg machen wollten, fragte der Teufel den Ritter noch, wie er seinen Trank eigent­lich genannt habe. „Lieben­frau­en­milch“, antwor­tete jener wahr­heits­gemäß und mit ruhiger Stimme. Beim Klang des Namens der heiligen Jung­frau taumelte der Teufel und ihm wurde schwin­delig. Daraufhin suchte er unver­züg­lich das Weite. Das war die Rettung für den Ritter. So konnte er noch viele lange Jahre mit seinen Freunden feiern und den köst­li­chen Wein genießen.

Ein ehemals exklu­siver Name

Lange Zeit durfte die Bezeich­nung Lieb­frau­en­milch ausschließ­lich für jene Weine verwendet werden, die „so weit der Turm der Lieb­frau­en­kirche seinen Schatten werfe“ gewachsen waren. Nach diesem Krite­rium kann man auch heute noch “echte” Lieb­frau­en­milch bei vier Winzern in Worms erwerben.


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Quelle: https://de.wikisource.org/wiki/Liebfrauenmilch ; https://de.wikipedia.org/wiki/Liebfrauenmilch


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